Den Weg, den ich vor mir habe, kennt keiner. Nie ist ihn einer so gegangen wie ich ihn gehen werde. Es ist mein Weg.

 

 

 

 

 

 

Begonnen hat alles eigentlich schon im Frühjahr 2011. Ich war schnell erschöpft und hatte regelrechte Schwitzattacken. Fühlte mich krank. Konnte aber nichts greifen. Und dann diese Rückenschmerzen. War auch beim Arzt. Eingerenkt, Infusionen, Spritzen und Tabletten. Das altbekannte Spiel. Die Schmerzen wurden aber nicht besser.

Und immer wieder Schwitzattacken. Auf was führt Frau in meinem Alter das zurück:  die berühmten Wechseljahre.

Es wurde gelästert und hier ein Rat und da ein Rat gegeben. Bin aber nicht zum Arzt, denn ich konnte nichts greifen. Konnte nicht sagen: hier fehlt es mir.


Im Juli begann dann dieser trockene Reizhusten. Auch nichts darauf gegeben. Ich bin Raucher und hab eine Pollenallergie, also konnte es nur davon kommen. Dann begannen die Schmerzen im Bauch. Bekam Probleme beim Gang zur Toilette. Habe darauf auch nichts gegeben, da ich eine bekannte Sigmadivertikulitits habe. Immer mal wieder ein leichtes Ziepen im rechten Unterbauch. Einfach ignoriert.


Die Arbeit fiel mir immer schwerer. Hatte Rückenschmerzen, ein dumpfer Schmerz der einfach nicht aufhören wollte. Gleichzeitig begannen diese wahnsinnigen Kopfschmerzen, die dir das Denken unmöglich machten. Schaffte an manchen Tagen nur mit Müh und Not meine Dienste. Spätdienste waren das schlimmste. Ab 18h ging einfach nichts mehr. Total erschöpft und kaputt. Ich hatte dann zum Glück fast nur Frühdienste, die ich auch, egal wie, hinter mich brachte. 

Irgendwann kam Atemnot hinzu. Beim Sprechen blieb mir einfach der Atem weg. Frotzeleien wie : Hör endlich auf zu rauchen oder komm rauch noch eine, waren an der Tagesordnung.

Der Husten wurde schlimmer. 

 

Im September endlich Urlaub. Kam aber einfach nicht runter. Fühlte mich auch nach 8 Tagen Urlaub immer noch ausgebrannt und erschöpft. Am 19. September der Gedanke:  Last Minute Urlaub.

Wir sind am Abend zum Flughafen gefahren und haben uns die Angebote angesehen und uns für die Türkei entschieden. Am nächsten Morgen ins Reisebüro um zu buchen. Aber entweder keine Flüge oder Flüge und kein Hotel frei. Wieder zum Flughafen und dort 8 Tage Türkei gebucht. Am 26. September sollte es losgehen. 

Wir sind auch am 26ten geflogen. Die Hotelanlage einfach wunderschön. Erholung pur war angesagt. 

Am nächsten Nachmittag, nach einem wunderschönen Tag, den wir am Strand verbracht haben, wollten wir uns fertig machen zum Abendessen. Noch schnell einmal auf Toilette und das war es dann. Ich hatte das Gefühl als würde im Bauch ein Ballon platzen und von einem auf den anderen Moment wahnsinnige Schmerzen. Auf`s Bett gekrochen und erst einmal den Schmerz verklingen lassen. Es wurde auch langsam besser. Die nächsten Tage immer mal wieder diesen unerträglichen Schmerz ausgehalten. Schaffte das Schnorcheln nicht. Hatte keine Kraft und immer diese Müdigkeit.


Leider war diese Woche viel zu schnell zu Ende und der Alltag hatte uns wieder. Montags nach Hause gekommen und am Dienstag gleich Frühdienst. Weiterhin Schmerzen. 

Am 6ten Oktober hatte ich dann einen Arzttermin. Der Bauch wurde untersucht und sonografiert. Es wurde aber nichts gefunden. Dann diese Frage: Wie lange husten sie schon so?  Seit Juli? Warum sind sie nicht schon früher vorbeigekommen, wenn man solange hustet muss das untersucht werden. Überweisung zum Röntgen und zum Chirurgen. Am gleichen Nachmittag noch zum Chirurgen. Der konnte im Bauch aber auch nichts feststellen. Überweisung zur Radiologie: Sono und evtl. MRT.


Der nächste Tag ein Freitag und Frühdienst. Also war es nichts mit Röntgen und zum Sono. Habe dann mit einer Kollegin für montags die Dienste getauscht und montags dann gleich um 8 h in die Radiologie. 

Erst wurde die Lunge geröntgt und dann der Bauch geschallt. Aber wieder kein Befund vom Bauch.

Franz wartete draußen im Wartezimmer. Hab mich wieder zu ihm gesetzt und das Warten begann. Der Arzt ging zwei oder dreimal an uns vorbei. Schaute aber nicht wie sonst mal rüber, sondern nur gerade aus. Da begann bereits das Kopfkino. Endlich wurde ich zur Besprechung aufgerufen.

Die erste Frage der Ärztin war: Sind sie alleine hier oder ist jemand mit Ihnen gekommen? Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Kopfkino. Franz wurde dazu gerufen und dann zeigte sie uns ein Röntgenbild und meinte : Das ist eine Aufnahme von vor 2 Jahren und jetzt diese Aufnahme und hielt  die neue Aufnahme hoch. Auch ein Laie konnte diese 2 großen Schatten sehen. Meine Frage: Ist es Krebs wurde mit: davon muss man ausgehen, beanwortet. Den Rest weiß ich nicht mehr. Bin irgendwann aufgestanden und wollte nur noch raus. Einfach weglaufen.


Das bin ich nicht.

Das ist ein anderer.

Ich doch nicht.

Da wurde was verwechselt.

Nein, ich doch nicht.

Gleich kommt Franz und sagt dir: Schatz, das war eine Verwechslung.


Franz kam kurze Zeit später, aber es war keine Verwechslung. Es war die Wirklichkeit. Er hatte die Röntgenbilder dabei und wir sollten sofort zu meinem Hausarzt fahren. Sie würden einen Kurzbrief dorthin faxen. 


Auf dem kurzen Weg nach Ludweiler dann Kopfkino pur. Es war kein klares Denken möglich und immer wieder : das kann nur eine Verwechslung sein. Ich bin das nicht. Niemals.

Wir wollten doch am 11ten Mai heiraten. Wir wollten noch so viel von der Welt sehen. Hatten so viele Träume und Pläne. Nein, du bist das nicht. ICH doch nicht. 

 

 An der Anmeldung wurde mir schlagartig klar, was es heißt. Ich werde sterben. ICH. Ich will nicht sterben. Ich will doch noch so viel erleben mit Franz. Wir wollen doch heiraten.

Weinen. Verzweifeltes Weinen und dann kam von Franz der Satz:  Jetzt wird sofort geheiratet. Ich dachte:  Du musst doch bekloppt sein und eine Frau heiraten, die in absehbarer Zeit sterben wird. Weißt du überhaupt was auf dich zukommt?  

 

Kann mich nur vage an das erinnern was dann mit dem Arzt besprochen wurde. Er machte sofort einen Termin zur stationären Aufnahme in der Klinik ab. Sollte noch am gleichen Tag aufgenommen werden. Was wir auf dem Weg nach Hause gesprochen haben, weiß ich nicht mehr.

Habe gleich meinen Sohn angerufen und ihm erzählt was los ist und die Diagnose genannt: Bronchial CA. Schweigen auf der anderen Seite.

Jessica, meine Tochter, war mit ihrer Familie in Urlaub. Sollten wir sie anrufen? Nein. Sie sollten ihren Urlaub genießen. 

Kurz darauf ein Anruf von meinem Hausarzt. Wir sollten erst noch ein CT machen lassen bevor es in die Klinik geht.

Anruf beim Radiologen und wir bekamen für den gleichen Nachmittag noch einen CT Termin. Da wurde mir bewusst, dass es keine Verwechslung war. Es war dringend.

 

Am Nachmittag wurde die CT-Aufnahme gemacht und da sah man wie weit es schon fortgeschritten war. Es gab schon Metastasen. 

Anruf in der Klinik. Bekam einen neuen Termin für Mittwoch.


Am Abend kam Jan zu uns und sagte : Ich setze mich mit der Uniklinik Homburg in Verbindung und werde dort einen Termin für dich vereinbaren. Wir haben geredet und geredet. Irgendwann sagte ich zu Jan: Franz möchte das wir heiraten. Jan meinte dann: Und was spricht dagegen? Ihr wolltet doch sowieso im Mai heiraten. Dann geht ihr eben jetzt schon. ICH wollte nicht. Das was ich vor mir habe, kann ich keinem anderen zumuten. Hab es aber nicht ausgesprochen.

 

Der folgende Tag fehlt mir ganz. Keine Ahnung was wir an diesem Tag alles gemacht haben. Ich weiß nur noch, dass Franz am Nachmittag auf dem Standesamt anrief und mit einem alten Schulfreund geredet hat.

Aber ich musste Jessica informieren bevor sie es von anderen erfährt. Das war mit einer der schlimmsten Telefonate meines Lebens. 

 

Wir waren in diesen Stunden auch in die Cura Med Klinik, meinem Arbeitsplatz, gefahren. Haben unserem Chefarzt die Befunde gezeigt. Gehofft das alles nur eine Fehldiagnose ist. Aber Dr. Kern konnte die Diagnose nur bestätigen. Petra kam dazu und kam zu der gleichen Aussage. Alle Hoffnungen von einem auf den anderen Moment zerschlagen. 

 

Am Abend kam Susi zum Haare schneiden. Profane Dinge, die von jetzt auf gleich gemacht werden mussten. Einfach bekloppt. Wir haben ihr dann erzählt was los ist und das wir am Donnerstag heiraten wollen. In den nächsten Tagen habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass sich bei meinen Freunden die Spreu vom Weizen trennt.

Jan rief  zwischendurch noch an um uns mitzuteilen, dass ich am Donnerstag den 13. Oktober um 14h einen Termin in Homburg hätte. 


 Am nächsten Morgen fuhren wir auf das Standesamt und haben das Aufgebot bestellt. Irgendwie lief alles an mir vorbei. Wir konnten am 13. Oktober um 10 Uhr heiraten. Trauzeugen. Wir wollten doch Trauzeugen. Franz rief seinen Bruder an und erzählte ihm alles. Ich rief bei Georg und Kerstin an. Kerstin sollte meine Trauzeugin werden. Kerstin war und ist der Mensch, der in all den Jahren immer ein offenes Ohr für mich hatte. Ich hab sie in den 11 Jahren die wir uns jetzt kennen lieb gewonnen wie eine Schwester. Georg sagte direkt zu, denn er wusste bereits seit Juni, dass ich Kerstin als meine Trauzeugin wollte. 


Tränen, immer wieder Tränen und Gedanken: Ich will nicht sterben. Ich will meine Träume leben. Endlich bin ich glücklich. Habe den Mann gefunden, den ich mein Leben lang vermisst und gesucht habe. Ich will mit ihm alt werden. Will mit ihm die Welt sehen. Will ihn lieben.

 

Habe meinen Bruder angerufen, mit dem ich schon eine ganze Zeit keinen Kontakt mehr hatte. Wollte alles Unausgesprochene zwischen uns aus dem Weg haben. Wollte mich mit ihm versöhnen. Er kam auch und wir haben eine gute Stunde geredet. Er hat sich seit diesem Tag noch 2mal gemeldet und das war es auch dann schon. Bye, Ralf. Ich brauch dich jetzt nicht mehr. Ich hatte einmal einen Bruder mit dem man Pferde stehlen konnte und was ist davon übriggeblieben: nur bittere Gedanken. 

 

Dann war er da. Der Tag an dem wir heiraten wollten. Es kam nicht einmal die Frage auf was wir anziehen sollten. Mein Hochzeitskleid lag seit ein paar Wochen in einer Kiste auf dem Schrank und da liegt es auch heute noch. Ungetragen. Kleiderschrank auf. Ein Kleid vom Bügel genommen und das war`s.

Wir begannen andere Prioritäten zu setzen. Was ist schon Kleidung? Wir haben uns. Wir lieben uns.

 

Jessica, Klaus und die Kinder waren nicht da. Das tat mir weh. Ich habe euch so vermisst an diesem Tag. Ich liebe euch. Als wir zum Standesamt kamen, hatte ich das heulende Elend. Viele Menschen, die uns am Herzen lagen konnten heute leider nicht dabei sein. 

Ich bekam riesengrosse Augen. Fast alle meine Kollegen hatten sich bereits dort versammelt. Von der Trauung selbst bekam ich nur die Hälfte mit. Ich glaube es wurde mehr geheult als auf einer Beerdigung. 

Jan konnte sich für eine Stunde vom Dienst befreien lassen. Das war für mich mit das schönste Geschenk. 

Georg, Kerstin und Dany hatten einen kleinen Sektempfang organisiert. Danke noch einmal an Euch. Es war wunderschön. 

Anschließend sind wir mit Mama, Jan und unseren Trauzeugen noch in ein Cafe. Dann kurz auf den Friedhof zum Grab von Papa und der Mama von Franz und dann die Tasche ins Auto und auf den Weg in die Uniklinik gemacht.

 

Wir gingen ja von einer stationären Aufnahme aus, aber an diesem Tag gab es nur eine kurze Untersuchung und die bisher vorliegenden Befunde wurden angesehen. Der Arzt erklärte uns wie sie evtl. vorgehen wollten. Teilte uns mit, dass die Befunde in der Tumorkonferenz besprochen werden sollten und dann würde entschieden wie es weitergeht. Stationäre Aufnahme wäre am 24.10.2011.

Da hatten wir sie auf einmal die Zeit die uns fehlte. 11 Tage sollten wir für uns haben. 11 lange Tage.